BCM Claim 2024
Du oder Sie im Büro

Du oder Sie im Büro? Über pronominale Höflichkeit zwischen dir und Ihnen

Neues Team, neues Büro. Hallo miteinander. Ein Kollege kommt lächelnd auf dich zu. Siezt oder duzt du ihn jetzt? Im Zweifel erst mal den anderen reden lassen. Das Pronomen befindet sich gerade, ebenso wie das gesammelte gesellschaftliche Miteinander, mal wieder im Wandel. Das tut es nicht zum ersten Mal, man denke nur an die Französische Revolution. Glücklicherweise gibt es für Notlagen sprachliche Notausgänge. Die Schweden waren vor der Du-Reform Spezialisten auf diesem Gebiet. Auf Schwedisch gab es nämlich kein Pronomen für die Höflichkeitsform. Man sprach Personen mit Titel oder Namen an: „Was denkt der Doktor?“ anstatt „Was denken Sie, Herr Doktor?“ Um die Klippen der richtigen Ansprache in unsicheren Situationen zu umschiffen, fragte man daher gerne „Wie war der Name?“ anstatt „Wie heißen Sie/Wie heißt du?“ Damit hörten die Schweden in den 1960er und 70er Jahren auf. Bror Rexed, bot bei seinem Amtsantritt als Direktor der nationalen Gesundheits- und Sozialbehörde 1967 allen Angestellten das Du an.

Sag gerne Du

Beim allgemeinen Du sind wir hier noch nicht, glücklicherweise oder leider? Ist das „Sie“ immer höflicher? Immerhin schaffen wir es ja, uns auch per „Sie“ sogar im Bundestag satte Schimpfwörter an den Kopf zu werfen. Man denke nur an Joschka Fischers berühmt-berüchtigtes „Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!“ vor 40 Jahren. Im Wettbewerb um neue Mitarbeitende nutzen aber Unternehmen zunehmend das „Du“, weil es zeitgemäßer, attraktiver und jünger wirkt. Das „Du“ als verbaler Startschuss moderner Unternehmenskultur verspricht vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe, während das respektvolle „Sie“ mehr Distanz nicht nur zulässt, sondern auch verlangt. Das ist offenbar nicht mehr gewünscht. Eine Forsa-Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass aktuell nur noch etwa ein Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland gesiezt werden möchte – vor fünf Jahren waren es noch zwei Drittel. (Quelle: jobware)

Aber bitte frage vorher!

„Allerdings legen die meisten Menschen Wert darauf, nicht ungefragt geduzt zu werden“, betont Anne-Kathrin Kabitzke-Schiede, CEO von Butler and Conduct Manager. „Im Gespräch mit jungen Führungskräften bekam ich folgende Aussage: `In unserer Firma sind wir, über alle Ebenen hinweg, bis zum CEO per Du. Das erleichtert Vieles und führt dazu, dann man sich besser auf das Wesentliche konzentrieren kann.´ Man muss jedoch nicht zwangsläufig eine Bewegung mitmachen, die eigentlich nicht zum eigenen Produkt oder zur Firmenphilosophie passt. In kreativen Branchen und in der Start-up-Szene ist das Du durchaus gang und gäbe. In einigen Bereichen bleibt man jedoch eher bei förmlichen Sie, um Grenzen deutlich zu machen. Deswegen würden Butler ihren Arbeitgeber nie und nimmer duzen. Weil die Unsicherheit auf diesem Gebiet so groß ist, thematisieren wir in all unseren Seminaren für Führungskräfte das Fingerspitzengefühl für die angemessene Anrede.“

Titelbild © fizkes – stock.adobe.com

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Eine Antwort

  1. SIE oder DU ist bei mir sehr von der Situation abhängig. In MEINEM Unternehmen sind wir per DU. In der Kommunikation mit anderen hänge ich noch sehr am SIE. Da biete ich nur selten das DU an, kann es gegenüber Kunden, die von sich aus das DU verwenden natürlich nicht zurückweisen. Und wenn ich nicht weiß, mit wem ich es zu tun habe, zum Beispiel in der Kommunikation in sozialen Medien, orientiere ich mich am Kanal: In LinkedIn nutze ich das SIE und in Facebook das DU. Im Gespräch über Dinge, mit denen ich starke Emotionen verbinde, kommt das DU oft von ganz alleine. Es fällt mir schwer mich über Musik, Fotografie, Literatur oder Wein zu unterhalten ohne dass mir irgendwann ein DU über die Lippen kommt, jedenfalls wenn ich merke, dass mein Gegenüber mit der gleichen Begeisterung über diese Themen spricht. In der Diskussion über Künstliche Intelligenz fällt mir das SIE doch erheblich leichter …
    Die verkürzte Form könnte lauten: Je mehr Hirn, desto mehr SIE. Auch hilft das SIE oft einfach die Contenance zu bewahren imt Umgang mit unangenehmen Themen. Andererseits ist das SIE alleine kein Garant für korrektes Verhalten oder auch nur halbwegs ordentliches Benehmen. Wenn Trikotagenunternehmer Karl-Heinz-Meltzer – alias Loriot – seiner Sekträrin Fräulein Dinkel auf der Auslegeware an die Wäsche will hilft auch das korrekte „Sie“ gegenüber Fräulein Dinkel nicht. Das SIE ist mir also durchaus wertvoll. Wichtiger aber ist mir allemal eine korrekte Umgangsform.

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